Himmel und Elbe

HIMMEL&ELBEHamburger Abendblatt 09/09/2016
vom 09.09.2016

Beziehungskrise mit Gott
Von Ann-Britt Petersen

Musiker und Comedian Jan Christof Scheibe wuchs im christlichen Umfeld auf, sein Vater war Kantor, seine Groß­väter Pastoren. Sein eigenes Verhältnis zur Kirche ist ambivalent. Doch das geht er mit Witz und Ironie an, auch auf der Bühne
ie Beziehung zu Gott ist wie die zu meiner Steuererklärung, ich verstehe sie nicht ganz.“ Das ist ein typischer Scheibe-Spruch. Wenn der Comedian Jan Christof Scheibe sich so seine Gedanken über den Glauben macht – und das demnächst auch auf der Bühne –, dann kommt schon mal was Flapsiges heraus. Dabei hat das musikalische und schauspielerische Multitalent Scheibe Wurzeln in der evangelischen Christus-Kirchengemeinde Othmarschen.

Die machen sich auch in diesem Moment bemerkbar, in dem er die Christuskirche erstmals nach vielen Jahren wieder betritt. „Das ist ja wie Heimaturlaub“, sagt der 53-Jährige, der schon lange nicht mehr im Stadtteil wohnt. Die schlichte Kirche mit der hellen Fassade, die im Stil eher an englische als an norddeutsche Kirchbauten erinnert, war während seiner Kindheit und Jugend so etwas wie sein zweites Zuhause. Es war der Ort, an dem sein Vater 27 Jahre lang als Kantor wirkte, der Ort, an dem Scheibe junior vom Kinderchor bis zum Zivildienst viele Erfahrungen machte, und einer der Orte, an denen er begann, sich mit Religion aus­einanderzusetzen

Jan Christof Scheibe ist ein umtriebiger Musiker, Schauspieler, Komponist. Er arrangiert Bühnenstücke, eigene Comedyshows oder Kindermusicals. Er gründete den Chor Heaven Can Wait mit Sängern zwischen 70 und über 80 Jahren und war lange Zeit Produzent und Bühnenshowpartner von Sissi Perlinger. „Die Musik ist mein Standbein, aber ich arbeite gerne genreübergreifend, eine Sache allein würde mich langweilen“, sagt der locker plaudernde Scheibe. Drahtig und jugendlich wirkt er, seine Hände sind oft in Bewegung, so als wollte er gleich das nächste Projekt anfassen.

Der Vater habe ihm die Musikalität vererbt und die Improvisationsgabe. „Das konnte er gut, aus dem Stegreif musikalisch alles Mögliche entstehen lassen“, sagt Scheibe, der schon mit fünf Jahren als Solist im Kirchenchor seines Vaters sang und früh anfing, Klavier zu spielen. Durch die „elterliche Berufung“ – auch die Mutter sang im Kirchenchor – lernte er die Kirche „backstage“ kennen. Etwa die Vorbereitungen für den Gottesdienst und die häufigen kleinen Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden damaligen Pastoren. „Das machte die Kirche menschlich und mir sympathisch“, sagt Scheibe. Er und seine Schwester wuchsen mit dem Glauben an Gott auf. Nicht nur der Vater stand im Dienst der Kirche, schon beide Großväter waren Pastoren gewesen. „Wir haben am Mittagstisch gebetet, aber das ist dann irgendwann eingeschlafen“, erinnert er sich.

Als Jugendlicher kamen die Zweifel. „Ist Jesus wirklich Gottes Sohn, ist er wirklich über Wasser gelaufen? Wenn man nachdenkt, kann man solche Geschichten ja nicht glauben.“ Deswegen sei es zu seiner Zeit gut gewesen, dass es einen Pastor gab, „der die Zweifel von uns Jugendlichen zugelassen hat“, sagt Scheibe. Und er entdeckte in der Bibel auch wichtige Stellen, etwa die Sache mit der Barmherzigkeit. „Dass Jesus sagt, wenn dich einer auf die linke Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin (Matthäus 5,39), das finde ich unfassbar revolutionär“, so Scheibe. Die Menschlichkeit und das Miteinander gehören für ihn zur positiven Seite des Christentums. Er machte viele Chorreisen mit, engagierte sich als Jugendbetreuer, absolvierte nach seinem Abitur am Christianeum seinen Zivildienst in der Tagesförderungsstätte für Schwerstbehinderte, die zur Kirchengemeinde gehört. Er fuhr nach Taizé und besuchte Kirchentage.

„Dort traf ich auf tolle Köpfe, Menschen, die Impulse geben können. Es gibt ja in der evangelischen Kirche Leute mit Weltstarcharakter. Die ,Messis‘ und ,Ronaldos‘, die einem als charismatische Pfarrer etwas vermitteln, eine spirituelle Saite zum Klingen bringen können“, so sein Vergleich mit den Weltstars des Fußballs. Aber es gebe eben auch die „Kreisliga“. Da präsentiere sich die Kirche schlecht. Sie müsse ihr Personal besser schulen, „nicht noch eine weitere tote Sprache lernen lassen, sondern überlegen, mit welchen Aktionen man die Gemeinschaft fördern kann“, so Scheibe. Aus solchen Gedanken entstand sein neues Programm „Ogoddogott!“. „Ich frage mich ja selbst, warum erreicht mich die Kirche nicht mehr?“ Auch bei der Trauer über seinen kurz nach der Pensionierung überraschend verstorbenen Vater war ihm der Glaube kein Trost. Dieses ambivalente Verhältnis zu Glaube und Kirche, die Frage, wie unser Verhältnis zu Gott ist, wie viele Wege es zu ihm gibt, ob nur einer richtig und die anderen falsch sind, thematisiert er in seiner Show. Aber mit viel Humor und Musik. Letzte Antworten könne er natürlich auch nicht geben.

Er selber glaube an Gott als „übergeordnetes Prinzip.“ Und sein Bestreben sei es, gut zu handeln. „Mein Selbstbaukasten Religion besteht aus vielen kleinen Wahrheiten, Anleihen etwa auch aus dem Buddhismus.“ Und innerlich „danke“ zu sagen für besonders schöne Momente sei für ihn eine Art von Gebet, sagt Scheibe, der mit einer Partnerin zusammenlebt und Vater einer vierjährigen Tochter ist. Die Kleine geht in eine evangelische Kita. „Weil hier versucht wird, Toleranz und Nächstenliebe vorzuleben.“

„Ogoddogott!“, Premiere 22.10., 20 Uhr, weitere Termine 23.10., 19 Uhr, 31.10., 1. und 23.11., 6.12., 20 Uhr, Gruenspan, Große Freiheit 58

 

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